Hans-Werner Götten

Seit 1996 baut Hans-Werner Götten in seiner Freizeit Kästen, die zunächst ganz unspektakulär als reine „Verpackung" für Geldgeschenke gedacht waren und seit einigen Jahren ein beachtenswertes Eigenleben entwickelt haben. Seine Kunst­kästen sind Miniaturwelten und setzen- wie kleine Bühnenbilder- alles in Szene, was ihm durch den Kopf geht und das alltägliche Leben für uns bereithält. Es sind Arrangements aus kleinen Figuren und Objekten, die den üblicherweise zweidimensionalen durch einen dreidimensionalen Bildraum ersetzen. Mit Witz und einer gehörigen Portion rheinischem Humor erzählt Hans- Werner Götten von kleinen und größeren Katastrophen des alltäglichen Daseins, beleuchtet Momentaufnahmen aus Leben und Berufsalltag und übt sich in Wortspielereien. Ob Religion, Geschichte, Politik, Umwelt oder Bildung- die Themen sind vielfältig. So zeigt „ Enthüllung" nicht nur die feierliche Einweihung und Enthüllung einer antiken weiblichen Skulptur, sondern zugleich die Enthüllung der Dame selbst. „Stille Nacht" wird zur Hommage an den Schnuller, der als Beruhigungssauger so manchen Eltern eine „stille Nacht" bescherte und „ 8 hätten auch gereicht" ist eine humorvolle Anspielung auf Moses 10 Gebote, von denen wir wahrscheinlich heute nicht einmal die Hälfte mehr kennen und respektieren. Bei allen Objekten verbinden sich handwerkliche Präzision, eine ungeheuer große Freude am Detail und eine begnadete Beobachtungsgabe. Ob „Elefantenrennen", Playstation", Drahtseilakt" oder „Steiler Zahn"- die hintersinnigen Titel, die er seinen kunstvoll gebauten Kästen gibt, entlarven mit einem Augenzwinkern Klischees, menschliche Unzulänglichkeiten und karikieren geistreich und humorvoll Wortbedeutungen und Sprichwörter. Zusammen bilden sie eine unverwechselbare Mischung aus Parodie, Kunst und Satire. Kunsthistorisch steht Hans- Werner Götten mit seinen Schaukästen in der Tradition des sogenannten „Guckkasten". Ein Guckkasten war ein Schauobjekt, welches im 15.Jahrhundert dem Betrachter einen Blick in sein Inneres erlaubte und Bilder mit täuschend echter perspektivischer Weite vorstellte, Die Bilder im Inneren waren meist Silhouetten, die man auf transparentes Papier klebte und rahmte. Auf diese Weise konnten sie entweder gegen Licht gehalten werden oder auch mit künstlichen Lichtquellen wie Kerzen, betrachtet werden. Die Anfänge der Guckkästen gehen zurück bis in die Zeit der Renaissance, in der auch die Zentralperspektive erfunden wurde. Ab der 2.Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Guckkasten schließlich zu einer beliebten Jahrmarktsattraktion in Europa Vorführer, auch Guckkästner genannt, zogen durch das ganze Land, um auf Jahr- und Volksmärkten ihre Kästen vorzustellen. Gegen Bezahlung konnte man einen Blick hinein werfen und der Vorführer kommentierte die Bilder. Zu sehen waren biblische und religiöse Szenen, Ansichten von fremden Städten und Landschaften aus nahen und fernen Ländern, Sehenswürdigkeiten und touristische Attraktionen, aber auch Ereignisse wie Schlachten, Naturkatastrophen, Stadtbrände, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Die Bilder vermittelten dem Volk einen ersten Eindruck von der Welt, insofern kann der Guckkasten als eines der ersten Massenmedien gelten. Auch Hans- Werner Götten vermittelt uns einen Eindruck von den kleinen und grossen Dingen dieser „Welt". Seine Kästen sind kein Massenmedium, aber sie treffen den Humor und den Geschmack sehr vielen Menschen. Dr. Astrid Legge Kuratorin

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  • Ort: Düsseldorf
  • shop: nein